Korporationsgeschichte

Revolution von 1848 – I. Weltkrieg

Abgesehen von einer nur kurzen Phase während des Revolutionsjahres 1848, begann nach der Revolution innerhalb der Studentenschaft ein beschleunigter Prozess der Aufsplitterung. Es treten weitere bestimmende Merkmale studentischer Verbindungen hinzu: Vaterland, Religion, Musik, Sport, Kunst, Wissenschaft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlossen sich die schon länger bestehenden und die erst neu entstandenen Korporationen je nach ihrer vorherrschenden Ausrichtung zu Korporationsverbänden zusammen.

Die kurz vor der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden (neuen) Landsmannschaften lehnten die aristokratische Linie der Corps zugunsten einer Reformlinie ab, die den Gedanken der Gleichberechtigung aller honorigen Studenten betonte. Die Burschenschaften und die 1881 als politische Studentenbewegung gegründeten Vereine Deutscher Studenten verpflichteten sich zur national – politischen Betätigung, also zur nationalen und liberalen Linie, wobei der Kyffhäuserverband der Vereine Deutscher Studenten, der wie die Burschenschaft an der Einigung aller Studenten scheiterte und zum Korporationsverband wurde, auch stark am christlichen Glauben orientiert war, zum Teil also auch zur interkonfessionell – christlichen Linie wie der Wingolf und der Schwarzburgbund gehörte. Die konfessionelle – christliche Linie bildeten vor allem die großen katholischen Verbände, die durchweg Duell und Mensur verwarfen. Die Turnerschaften und die Sportgilden wiederum vertraten die Linie der körperlichen Ertüchtigung, während Sängerschaften und Gesangsvereine die musische Richtung in den Vordergrund stellten. Erwähnenswert wäre dann noch die wissenschaftlich Linie der Fachgilden, die besonders das Studium betonten und oft fachgebunden waren. Ferner entstanden um die Jahrhundertwende als Gegenbewegung zu den nationalen und teilweise antizionistischen Korporationen eigene jüdische Korporationen und seitdem Frauen studieren durften entstanden auch die ersten Damenkorporationen. Parallel dazu entstanden an Ingenieurschulen Korporationen und teilweise sogar Schülerverbindungen (Pennalien) an Gymnasien.

Eines blieb den Korporationen trotz ideologischer Eigenentwicklungen und gewisser Auseinanderentwicklungen ethischer Grundsätze als wesentliche Grundlage gemeinsam: der Idealismus und das ganze Sittengesetz des „Brüderhauses“ im weitesten Sinne des Wortes.

Die große Vielfalt innerhalb des Korporationswesens führte zu immer stärkeren Betonung des Formalen, zu Divergenzen, Egoismen und Rivalitäten, die manchmal in offene Feindschaft und tätliche Auseinandersetzungen umschlugen. Auch wenn das Korporationsleben während des Krieges von 1914 bis 1918 fast gänzlich zum Erliegen kam einigte es die Korporierten im nationalen Geiste des gemeinsamen Fronterlebnisses. Bis heute unauslöschlich im Geiste der Korporierten verankert ist das so glorifizierte „Langemarck“, der Name des Ortes im belgischen Flandern bei dem am 11. November 1914 tausende junger Korporierter bei einem aus militärischer Sicht sinnlosem Sturmangriff im Feuer der Entente – Truppen den Tod fanden. Das Massenopfer von Langemarck wurde propagandistisch aufgewertet um weitere Studenten zu Durchhalten zu ermuntern. Außerdem brachte der Erste Weltkrieg auch seinen korporierten Dichter hervor, der wie hundert Jahre zuvor Theodor Körner seine Überzeugung mit dem Leben bezahlte. Der Frontoffizier und Burschenschafter Walter Flex wurde vor allem durch seine zum geflügelten Wort gewordene Kriegserzählung „Der Wanderer zwischen beiden Welten“ und durch sein noch heute bei Korporierten und Soldaten gesungenes mythisches Kriegslied „Wildgänse rauschen durch die Nacht“.