Korporationsgeschichte

Nachkriegszeit

Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Systems und dem Ende des Zweiten Weltkrieges schlossen sich die Verbände zunächst auf der Ebene der Besatzungszonen zusammen. 1949 wurde der Verband Deutscher Studentenschaften gegründet, ohne dass die Studentenschaften der sowjetischen Besatzungszone daran teilnahmen. Im gleichen Jahr erfolgte der offene Bruch. In der sowjetischen Zone wurden Studentenschaft und Hochschulen zunehmend nach marxistischen – leninistischen Grundsätzen unter alleiniger Führung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) gelenkt.

Die österreichischen Studentenschaften konnten oft 1945 wieder ihre Arbeit aufnehmen, da der Status Österreichs dem Deutschlands trotz alliierter Besatzung nicht entsprach. Die organisatorische Einheit mit den deutschen Verbänden löste sich zwangsläufig.
Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges trat trotz zeitweise heftiger Gegenmaßnahmen der Besatzungsmächte, staatlicher Stellen, politischer Hochschulgruppen und Hochschulleitungen eine abermalige Erholung des Verbindungswesens ein, obwohl die Verbindungen, zumal oft national eingestellt, pauschal der geistigen Mittäterschaft am Unrecht des NS-Regimes bezichtigt wurden.

In Deutschland kam es mit der Gründung des Convents Deutscher Akademikerverbände (CDA) im Jahre 1950 und dem Convent Deutscher Korporationsverbände (CDK) 1951 zur Bildung von Dachverbänden, jedoch ohne die katholischen Verbände. Die politischen Hochschulgruppen, die sich größtenteils scharf von den Korporationen distanzierten, stellten nunmehr im Gegensatz zur Weimarer Zeit einen starken Faktor in der hochschulpolitischen Landschaft dar, so dass sie, auch durch die politische Zurückhaltung vieler Korporationen bedingt, spätestens seit den Studentenunruhen 1968 nahezu vollkommen das Geschehen an den Hochschulen bestimmen.

Das Jahr 1968 stellte einen der nachhaltigsten Wendepunkte in der Geschichte des deutschen Studententums dar. Durch das enorme Anwachsen der Studentenzahlen wurde die Hochschule zu einer Art Dienstleistungsbetrieb in der Industriegesellschaft, der eine Ausbildung anbietet. So schwanden viele althergebrachte Traditionen aus dem Universitätsalltag oder wurden an den neugegründeten „Reform-Universitäten“ erst gar nicht eingeführt. Ein großer Anteil der Studentenschaft ist seitdem auch nicht mehr organisiert.

Die stürmische Expansion des Einflusses der politischen Hochschulgruppen, die zahlenmäßig immer erstaunlich klein waren, stagnierte in den Siebziger Jahren und zeigte teilweise Wandlungs- und Auflösungserscheinungen. Das traditionelle Verbindungswesen, das an der zahlenmäßigen Ausbreitung der Studentenschaft keinen Anteil hatte, stabilisierte sich zunehmend. Obwohl sich die klassischen Studentenverbindungen während der Studentenunruhen als wenig beweglich und insgesamt als politisch handlungsunfähig gezeigt hatten, wurden sie möglicherweise für den Studenten an der Massenuniversität wieder attraktiv, da ihre Ausrichtungen nur wenig dem Zeitgeist unterworfen sind.

In der sowjetischen Besatzungszone, der nachmaligen „Deutschen Demokratischen Republik (DDR)“, wurde ein wiederaufkommen korporativen Gedankenguts erfolgreich durch die überall präsente Staatsmacht und ihre hochschulpolitischen Handlanger von der FDJ unterdrückt, so dass sich die mitteldeutschen, ebenso wie die ostdeutschen Verbindungen nur im Westen rekonstituieren konnten bzw. mit anderen Verbindungen fusionierten. Der Kontakt zu Alten Herren hinter der Mauer wurde aber stets aufrecht erhalten bis die Mauer und die Grenze, die Deutschland fast vierzig Jahre teilten am 9. November 1989 fielen.

Doch bereits vor der friedlichen Wende von 1989/90 keimte der korporative Gedanke auch in der DDR wieder auf. Neben der FDJ gab es besonders im Bereich der Hochschulgemeinden einige Nischen, in denen sich bereits seit 1960 im Verborgenen eigenständige studentische Korporationen gebildet hatten. Aber auch in der FDJ selbst gab es Bestrebungen, durch die Aneignung des burschenschaftlichen Erbes korporative Traditionen wieder zu beleben. Die 170. Wiederkehr des Wartburgfestes 1987 wurde der Anlass für eine Feier der FDJ mit korporationsstudentischen Formelementen, zu dem auch ein Liederbuch mit zahlreichen alten Studentenliedern erschien. Im Jahre 1989 existierten bereits ca. 20 verbindungsähnliche Organisationen auf dem Gebiet der DDR, die von staatlicher Seite widerwillig geduldet und überwacht wurden. Bereits 1986 fand ein Treffen von Vertretern der meisten dieser Verbindungen statt, aus dem sich dann die Rudelsburger Allianz bildete. Nach der Wende setzte dann ein reger Kontakt mit Verbindungen in der Bundesrepublik ein, der rasch zu einer Orientierung über und Beitritt zu verschiedenen Dachverbänden führte. Vielen Verbänden gelang es innerhalb kürzester Zeit etliche vertagte oder verlegte Verbindungen am ehemaligen Ursprungsort zu reaktivieren oder ganz neue Verbindungen zu gründen. Insgesamt erlebte das deutsche Korporationsstudententum in dieser Zeit einen enormen Aufschwung.

Quellen

Golücke, Friedhelm / Grün, Bernhard / Vogel, Christoph (Hrsg.): Die Fuxenstunde – Allgemeiner Teil, 4. Aufl., Würzburg 1996.
Richwien, Gerhard: Student sein…-Eine kleine Kulturgeschichte, Würzburg 1998.
Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt): Praktisches Handbuch, 5. Aufl., o.O. 1992